75 Jahre VHS Winnenden - Teil 4 der Artikelserie


VHS-Förderer Hermann Schwab - VHS-Zeltlager am Bodensee

Eine Spurensuche 
von Christel Ludwig (Leiterin der VHS 1985 -2010)

Die Leserinnen und Leser mögen mir verzeihen, dass ich so viel von den Anfangsjahren berichte. Als Nachgeborene haben mich der Wille zur Neugestaltung und die Leistung der Menschen ungeheuer beeindruckt. Dabei habe ich die Stimme Hermann Schwabs im Ohr, damals schon OB im Ruhestand, aber noch aktiv im Vorstand der VHS. Er besuchte die frischgebackene VHS-Leiterin gelegentlich in der „Baracke“ in der Ringstraße und erzählte anschaulich von den Anfangsjahren, insbesondere davon, wie beschwerlich es war, sozialen Frieden in Winnenden zu ermöglichen. Mir waren die Berichte eine große Hilfe, Wesen und Prägung der Stadt zu erfassen: Geschenk und Verpflichtung. 

VHS-Förderer Hermann Schwab
Der Name Hermann Schwab ist eng mit der VHS verbunden. Von 1947 bis 1982 hat er die Geschicke des Vereins als 1. Vorsitzender gelenkt. Bis 1990 war er Mitglied im Vorstand, danach bis zu seinem Tod aktiv als Mitglied und Ehrenvorsitzender des Vereins. Sein Kultur-, Bildungs- und Demokratieverständnis haben ihm ermöglicht, nicht nur die tagesaktuellen Probleme zu lösen, sondern auch an eine Zukunftsgestaltung zu denken. Beherztes Zupacken war in den Jahren nach Ende des „1000-jährigen Reiches“ gefordert, die äußeren Kriegsschäden galt es zu beseitigen, Heimatvertriebenen und Flüchtlinge unterzubringen und zu integrieren. Die Einwohnerzahl Winnendens hatte sich von knapp 6.000 im Jahre 1936 auf rund 9.000 im Jahre 1949 erhöht. 

Zeltlager der VHS am Bodensee
Die Zeltlager der VHS für 10- bis 17-Jährige waren ein kleiner Teil im Puzzle der Aufbauarbeit, von dem Hermann Schwab gerne erzählte. Ab 1949 sollte es zwölf Jahre lang fester Bestandteil des VHS-Angebotes sein. In einem Bericht in der Winnender Zeitung ist zu lesen: „Buben und Mädel sollen bei Spiel und Sport, in Luft und Sonne ein Ferienerlebnis haben, das sie später gerne an eine glückliche Kindheit zurückdenken läßt.“. 234 Menschen genossen schon 1949 „Ferienfreuden am Bodensee. 

Beherrschen die Berichte in der Anfangszeit die Nöte um Beschaffung von Unterkunft und Nahrungsmitteln, geht es in den „Wirtschaftswunderjahren“ um die Unterstützung von Kindern aus sozial schwachen Familien. Zuschuss konnten „Voll- und Halbwaisen, Angehörige kinderreicher, unvollständiger oder ungenügend untergebrachter Familien, Vertriebene, Flüchtlinge und Kinder von Rentnern und von Kriegsfolgehilfeempfängern“ beantragen. 

Unterstützung bekam das Projekt von vielen Seiten. Im Bericht von 1951 geht Dank an das Kultministerium, die US-Landeskommission und den Resident Officer in Waiblingen, den AK der Kreisjugendausschüsse, den ASTA der TH Stuttgart, die RBD Stuttgart, die Beamten des Bahnhofs Winnenden, den Landesjugendring, die Paulinenpflege Winnenden, den TSV Winnenden, an die Oberschule, die Stadt und an viele Firmen in Winnenden, das Landratsamt in Waiblingen und an eine ganze Reihe von Menschen in Horn (Bodensee), Stuttgart und Winnenden, „denen das Herz am rechten Fleck sitzt“.

Als diese Zeilen geschrieben werden, zwingt Corona die Menschen, Kontakte zu meiden. Besondere Sorgen macht die Wirkung auf Kinder und Jugendliche, deren Umfeld auf das Häusliche beschränkt ist. Keine Sozialkontakte für Kinder und Jugendliche in Schule, Vereinen, mit Freunden. Wie mag es den jungen Menschen in den Nachkriegsjahren erst ergangen sein, die Entbehrungen, Verluste, Bedrohungen verkraften mussten, und das in einem ihnen oft fremden Umfeld? Die Erwachsenen konnten häufig aus der eigenen Not heraus den Kindern keine Hilfe sein und ihnen keine Sicherheit geben. Alle Strukturen galt es zu hinterfragen bzw. neue aufzubauen. Die VHS leistete Pionierarbeit bei der Integration und bei der Überbrückung sozialer Unterschiede.

P.S. Einem Aufruf von VHS und Stadtarchiv im letzten Jahr folgten viele der „glücklichen Buben und Mädel“ und schickten Bilder und lebendige Erinnerungen. Eine Veröffentlichung im „Virtuellen Stadtmuseum“ ist in Arbeit. 
Bild: VHS-Zeltlager in Kressbronn - Elterntag


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