75 Jahre VHS Winnenden - Teil 2 der Artikelserie


Die ehemalige VHS-Leiterin Christel Ludwig blickt auf die VHS Winnenden in den Jahren 1946 - 1949

Die Worte Theodor Bäuerles, Ministerialdirektor im Württembergischen Kultministerium, anlässlich des Wiederentstehens der Stuttgarter Volkshochschule mögen auch die Gründerväter und –mütter der VHS in Winnenden bewegt haben. 

„Jetzt wollen wir wieder beginnen. Mitten in dem schrecklichsten Zusammenbruch, in den uns ein ebenso unfähiges wie verbrecherisches System gestürzt hat. Die Volkshochschule soll wieder eine Stätte echter Menschenbildung werden. Bildung aber setzt Freiheit voraus. Der Geist läßt sich nicht befehlen; die Volkshochschule ist keine geistige Dressuranstalt. Wir wollen nicht überreden, sondern überzeugen, nicht Propaganda treiben, sondern Wahrheit suchen, nicht Massenabfütterung vermitteln, sondern persönlich geistigen Besitz. Alle echte Bildungsarbeit fordert Rede und Gegenrede, ernste Besinnung und stille Vertiefung, Aussprache und Kritik. Echte Gemeinschaft beruht nicht auf der Uniformierung der Meinungen, sondern auf dem Zusammenwirken verantwortungsbewusster Menschen, auf dem gemeinsamen Streben nach Wahrheit, auf der Ehrfurcht vor dem Leben, auf der Achtung vor der Menschenwürde, auf der Anerkennung des Lebensrechtes der anderen und auf der Bereitschaft, den anderen zu verstehen, auch wenn man seine Ansicht nicht teilen kann. Der Boden aber, in dem wir alle wurzeln und verwurzelt sein müssen, ist der christlich-humanistische unserer abendländischen Kultur. Sie zu erhalten und zu pflegen und uns so wieder einzugliedern in die Gemeinschaft der Völker ist eine wichtige Aufgabe der Volkshochschule. 
Jede wahre Erneuerung muß aus dem Geiste kommen. Nur aus einer neuen Gesinnung erwachsen neue Taten; nur eine radikale Abkehr von den Methoden der brutalen Gewalt, der Maßlosigkeit und Selbstüberhebung kann uns retten. Dazu will und soll auch die Volkshochschule mithelfen. Sie steht jedem offen, der guten Willens und aufnahmebereiten Geistes ist.“


75 Jahre Volkshochschule in Winnenden

Spurensuche – Teil 2
Christel Ludwig (Leiterin der VHS 1985 -2010)

Lebenspraktisch und gesellig

Die Papierknappheit der Anfangsjahre verhindert näheren Einblick, doch weisen die wenigen Informationen schon auf einen Fächerkanon hin, der in den Folgejahren das Erscheinungsbild der VHS in Winnenden prägen sollte. Auch Geselliges kommt nicht zu kurz, wie aus den Ankündigungen der Stuttgarter Zeitung vom 27.8.47 und 20.9.47 hervorgeht. Theater- und Musikangebote der VHS sind Keimzelle des wieder erwachenden kulturellen Lebens in Winnenden.

Als Unterrichtsorte sind im Herbst-/Winterprogramm 1947/48 die „Ober-/Realschule in der Schloßstraße, die Kastenschule, die Gaststätte Zell in der Bahnhofstraße, die Frauenarbeitsschule, Kochschule in der Mühltorstr. 3“ ausgeschrieben. Besondere Veranstaltungen finden im „Festsaal der Heilanstalt Winnental“ statt.

Die Kurse dauern „allgemein 12 Stunden, je eine Wochenstunde“. RM 10,00 mussten dafür entrichtet werden. Ermäßigung gab es „nur auf besonders begründeten schriftlichen Antrag“. Lebenspraktisches gab es in Fülle. Englisch und Französisch wurde angeboten. Einige Angebote sprechen für die Lebensumstände der Nachkriegsjahre. „Menschen in Not“, so der Titel eines Gesprächskreises mit Themen wie: Die wirtschaftliche Lage – Das Verhältnis von Löhnen und Preisen – Die Wohnungsnot – Gesundheitliche Kriegsfolgen – Die Nöte der jungen Generation – Kriegswaisen – Berufswahl – Vergessenes Alter - Die alleinstehende Frau. 

Vielfältiges Engagement
In einer Reihe „Interessantes aus der Welt der Ärzte“ berichtete Obermedizinalrat Dr. Wildermuth über „Geisteskrankheiten“. Dr. Bodamer hielt einen Vortrag zur „Geschichte der Medizin. Leben und Werk großer Ärzte“. Dr. Preißner berichtete über „Moderne Errungenschaften der Medizin“ und Dr. Walder erläuterte „Bau und Leben des Gehirns“
An den Referentennamen Wildermuth, Bodamer, Preißner, Walder sieht man, dass sich Winnender Persönlichkeiten in der heimischen VHS eingebracht haben. Damit begann eine gute Tradition, die Jahrzehnte anhalten sollte.
Auf einem vergilbten Blatt, dem Programm im Frühjahr 1949, ist zu lesen, wie engagiert man war, selbst das heimische „Wohnzimmer“ kommt zum Einsatz. So lädt Peter Freund in die Ringstr. 108 zu dem „Arbeitskreis Musikfreunde, Chor, Orchester, Chorschule I und II“ ein. Karl Schwedhelm lädt in die Bachstr. 10 die „Freunde der Dichtung“, Frau Kübler „Die Freunde der bildenden Kunst“ in die Schorndorfer Str. 12 ein. 

Labsal für die Seele: damals wie heute
Die „Gesellschaft der Musikfreunde“ scheint besonders erfolgreich. Fünf Konzerte mit Werken von Mozart sind im Frühjahr angekündigt. 
Höhepunkt des Mozart-Zyklus war die Aufführung des „Requiem“ am 10. April 1949 in der Schloßkirche. Aufführende waren „Chor und das Orchester der Musikfreunde an der Volkshochschule Winnenden“. Solisten: Thekla Preisenhammer (Sopran), Elisabeth Pfleiderer, Stuttgart (Alt), Karl Dalibor, Korntal (Tenor), Clythus Gottwald, Korntal (Baß), Albert Braun (Orgel). Leitung: Peter Freund. 
Ältere Winnender erzählten mir von den Konzerten, die Labsal für die geschundenen Seelen in diesen Jahren der Entbehrungen gewesen seien. Es wurden damals nach dem Getöse des Dritten Reiches durch den unermüdlichen Einsatz Einzelner die Ohren neu geöffnet und der Samen gelegt für das heute noch sehr lebendige Musikleben Winnendens. 
Höhepunkt des Mozart-Zyklus war die Aufführung des „Requiem“ am 10. April 1949 mit dem „Chor und Orchester der Musikfreunde an der Volkshochschule Winnenden“ in der Schloßkirche. 
 


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